Anmerkungen zum Vischer-Stich der Ansicht von Schloss Windern, samt benachbarten Häusern

Jene, die den Ort Windern gut kennen und auch die künstlerische Darstellungsweise von Stichen oder Radierungen dieser Art entsprechene einzuschätzen wissen, werden vielleicht speziell bei dieser Ansicht eine Übereinstimmung zwischen Zeichnung und Realität hinterfragen.


Bei so einem kritischen Blick und dem Versuch eines Vergleiches sollten einige Randbedingungen für solche Darstellungen berücksichtigt werden.

Es sind dies z.B.

  • die handwerkliche Herstellungsweise solcher Ansichten,
  • eigene Maßgaben des Künstlers an Abstraktion,
  • künstlerische Freiheit,
  • zeitliche Diskrepanz zwischen Aufnahme und Umsetzung durch einen Kupferstich,
  • letzten Endes auch das Auge des Betrachters und seine persönliche Erfahrung mit Ortswahrnehmungen


Was manchen in diesem Bild in erster Linie besonders aufgefallen ist, ist die "Verschiebung" des landschaftlichen Hintergrundes zur Perspektivenansicht des zentralen Schlossgebäudes, im Vergleich zur "Realität".

Verstärkt wird dieser Eindruck durch den dargestellten Wegeverlauf in Richtung des Schlossgebäudes, in Relation zum landschaftlichen Hintergrund, aber auch in Relation zum Schlossgebäude selbst.



Vergleichende Überlegungen zu Vischer's Darstellung von Windern

Der Wegeverlauf

Die örtlichen Lage der dargestellten Gebäude bzw. Anlage, wie man sie in der heutigen Zeit vorfindet, weist einen alten Wegeverlauf entlang des Schlosses auf (heute nicht mehr durchgängig zugänglich).

Aufgrund der Eigenschaft dieses Weges als "sehr alte" Straße und Verbindungsstück zwischen den nächstgrößeren Orten Rüstorf im Norden und Viecht am Traunfall südlich, würde man davon ausgehen, dass der in Vischer's Stich gezeichnete Wegstreifen, samt Gittertürchen - gleichsam eines Garten-Zauntores - auf diesen Alten Hauptweg verweisen soll.

Ein relativ klein ausgeführtes "Gartentor", das als Verlängerung einer eingezeichneten Zaunanlage folgt und von einer Hecke am Wiesenrand fortgesetzt wird, erweckt jedoch nicht den Eindruck einer Hauptstraße die z.B. für postalische, militärische, landwirtschaftliche Zwecke im alltäglichen Gebrauch dienen soll.

Die "alte Straße durch Windern", die es tatsächlich gab, war der einzige Hauptweg in dieser etwa Nord-Süd-Richtung und müsste entsprechende Prioritäten in der frei zugänglichen Wegesgestaltung oder Durchgängigkeit aufgewiesen haben.

Ein Grund, warum manchmal der Verdacht nahe liegt, dass hier die "alte Straße" dargestellt sei, mag in der zentralen Position eines Schloss-Tores und den darauf ausgerichteten Wegeverlauf zurückzuführen sein, der solche Assotiationen zulassen würde.


  • Anbetracht der obigen Überlegungen könnte dieser Eindruck jedoch den Betrachter etwas irritieren und es könnte davon auszugehen sein, dass der dargestellte Weg nicht die "alte Straße" durch und entlang Windern sei.


Schattierungen

Dem Künstler obliegt die Art der Darstellung. So mag es auch mit der Wiedergabe der Lichtverhältnisse vor Ort sein.

Schattierungen geben einem Objekt in einer Zeichnung eine gewisse Plastizität, können aber auch eine räumliche Stimmung wieder geben, die einen "düsteren" Ort von einem "lichten" Ort unterscheidbar machen.

Schattierungen können auch die Dichte an Objekten verdeutlichen, deren räumliche Nähe zueinander.

In Vischer's Darstellung von Windern finden sich signifikantere Schattierungen entlang eines Schlossmauern-Abschnittes.

Sie liegen auch flächendeckend auf dem zentralen, inneren Schloss-Gebäude, sowie an sämtlichen giebelständigen Häuserfronten, die sich als Hauszeile an einem Eckturm der Umfassungsmauer aneinanderreihen.


Diese Schattierung erlaubt eine plastischere Visualisierung einer Aneinanderreihung oder kastkadenartigen Staffelung, so dass auch eine Hierarchie von Räumen in Erscheinung tritt.

Die helle Front der Umfassungsmauer mit seinem zentralen Tor liegt in der Bildmitte, gleich dahinter eine helle Front des zentralen Schlossgebäudes.


Möglicherweise ist dies der konzeptionelle Ausgangspunkt für den gesamten Bildaufbau, der sowohl die nahestehenden Ortsgebäude, die etwas weiter entfernt umliegenden Felder und Wiesen, als auch den sehr weit entfernten, landschaftlichen Hintergrund mit der markanten Gebirgskette und ihrem "Hauptberg" des Traunsteins an einen Punkt zusammenführt und vereint.


In der Tat vermittelt die geographische Lage des Ortes Windern die Situierung eines Aussichtspunktes, der einen großen Ausschnitt der Voralpen- und Zentralalpenkette je nach Wetterlage sehr deutlich und eindrucksvoll hervortreten lässt.

Der Ort Windern liegt tätsächlich auf einer Art Plateau, das unter anderem durch eiszeitlich bedingte Sedimentverfrachtungen und Ablagerungen entstanden sein soll.


Selbst einzelne Bergblöcke in Vischer's Stich weisen eine Schattierung auf.

Dies könnte so verstanden werden, dass die Massivität und vermeintliche Nähe dieser Bergketten und -gipfel einen wesentlichen, landschaftlichen Eindruck an diesem Ort prägt.

Der freien Sicht auf diesen Alpenausschnitt steht kaum eine Waldung im Wege.

Dieser Umstand ist insofern früher wie heute gegeben, als zum Zeitpunkt bereits sehr alter Besiedlung dieses Orts umliegende Areale und Fluren einer landwirtschaftlichen Nutzung unterstanden.

Die nächstgelegenen Wälder, die auch zur Herrschaft Windern gehört hatten, lagen auch hier mindestens eine Talebene niedriger - in den jeweiligen tiefergelegenen "Traunstufen" die der Traunfluss im Laufe von Jahrtausenden gegraben und hinterlassen hatte.

Ausgenommen sind davon waldartige Baumgruppen, hinter dem Schlossareal angedeutet, die hier weiter unten angesprochen werden.


  • Damit ist dieser eindrucksvolle, ungehinderte Blick auf die alpine Bergkette im Norden auch bereits in Vischer's Ansicht von Windern wiedergegeben.


Die Schattierung im Verhältnis zu Himmelsrichtungen

Vischer zeigt Windern, insbesondere seine alpine Bergkette im nördlichen Hintergrund mit ihrem nächsthöchsten Berg, dem Taunstein, im Hauptlicht, das aus östlicher Richtung einzustrahlen scheint.

Der Zeitpunkt für die Beleuchtung aus östlicher Richtung, zum Sonnenaufgang taucht jedoch die Bergkette aus dem Blickwinkel von Windern aus betrachtet eher in die Anmutung einer dunklen Silhouette, mit dem Profil der Berggipfel und Höhenverläufe.

(vlg. Bilder einfügen)

Viel mehr erscheinen einzelne Bergobjekte wie der Traunstein, oder aber auch davorliegende Hügel wie der Grünberg, erst nachmittags im Licht der gegen Westen untergehenden Sonne und beleuchten sie aus der Perspektive von Windern von der "rechten" Seite, also aus westlicher Richtung.


Hier stellt sich erneut die Frage, was der Künstler Vischer ursprünglich darstellen oder bildlich aussagen wollte?


Die Lichtführung, von der linken Seite des Bildes kommend, kann ein gestalterisches Prinzip sein, so wie dies durchaus aus der LAndkartenerstellung bekannt ist, bei der man die Schattierung des Geländeprofiles so wählt, dass die Lichtquelle immer nördlich oder nordwestlich liegt.

Obwohl solche dargestellten Lichtverhältnisse mit der natürlichen Situation nicht übereinstimmt, bedient man sich dennoch dieser Methode, weil sie dem menschlichen Auge bzw. Gehirn durch diese Maßnahme offenbar eine bessere räumliche Vorstellung ermöglicht.

Wenn z.B. ein Objekt in den Händen vor sich haltend betrachtet wird, so bedient man sich eher einer Lichtquelle "von oben" als "von unten" leuchtend.


  • Vielleicht folgt die Lichtführung in Vischer's Darstellung diesem genannte Prinzip. Im anderen, natürlichen Fall wären die Beleuchtungsverhältnisse eher genau umgekehrt, von Westen her wirkend. Vischer hatte jedenfalls in anderen Ansichten durchaus versucht, die tatsächlichen Belichtungsverhältnisse wiederzugeben, wie dies an Hand des Beispieles "Shaumburg" (Schaunburg, Schaumberg) gut zu erkennen ist.

Hier erfolgt die Belichtung von etwa westlicher Richtung ausgehend.


 
Die Schaumburg nach einem Stich von Georg Matthäus Vischer von 1674


Baumgruppen oder eine Parkanlage hinter dem Schlossareal

In Vischer's Darstellung fällt ein Saum an Baumkronen hinter den Schlossgebäuden auf, der es wert ist, genauer betrachtet zu werden.

Zunächst erscheinen in etwa der Breite der Schlossanlage selbst, relativ dichtstehende Baumgruppen und Einzelbäume mit rundlich geformten Baumkronen.

Wenn man bedenkt, das Vischer in seinen Bildern durchaus Unterschiede berücksichtigt, ob es sich bei Bäumen oder Wald um Nadel- oder Laubbäume handelt - vlg. dazu Burgruine Lichtenhag, Vischer 1674 oder Bild unten - so sollte für die Darstellung von Windern dieser Umstand wahrgenommen werden und eine Erklärung versucht werden.

 
Burgruine Lichtenhag nach einem Stich von Georg Matthäus Vischer von 1674


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Dokumente und Abbildungen

 
Ansicht des Schlosses und Ortes Windern, Vischer
 
GESPIEGELTE Ansicht des Schlosses und Ortes Windern, Vischer