Caspar Frhr. v. Risenfels: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Text'''


Meine liebe theure Freundin!
Endlich ist es mir gegönnt ein bischen mit Dir mein gutes '''Nazerl''' zu plaudern. Bis jetzt fand ich noch wirklich keine Zeit Dein liebes Briefchen, für welches ich Dir herzlich danke, zu beantworten.
Hier ist es schon sehr schön, vorgestern war ich im Gebirg, hie und da blühen schon Obstbäume, die Wiesen sind auch schon recht grün, und voll mit lieben Feldblümchen.
Ich trage schon meinen Strohhut, ich bekam heuer einen recht hübschen grauen, mit grünen Bändern, schwarzen Sammtbändern und Rosen.
Morgen Sonnabend um 7 Uhr Abend's, ist endlich '''Herminen's''' Hochzeit, sie wird im Dom am Hochaltar sein und der Stadtpfarrer wird sie kopuliren.
Heute Abend's um 6 Uhr geht sämmtliche '''Wittmanische Familie''', beichten, und morgen frph comuniciren.
Es werden über zwanzig Gäste sein, 6 Brautjungfrauen nämlich: die drei Schwestern '''Ida''', '''Ernestine''' und '''Jetti''', dann die beiden '''Scultetischen Mädchen''', und seine Schwester von ihm.
Alles wird auf's großartigste arangiert sein.
Ich beneide die gute '''Hermine'' um ihr Glück nicht, denn was man hier von ihm alles reden hört, das ist ja furchtbar! - Ich bin vollend's überzeugt, daß er sie durchaus nicht aus Liebe sondern blos wegen Geld heirathet. Denk' Die nur mein gutes Engerl, gestern war er ganz allein im Theater, in einer Loge bei einem sehr hübschen Mädchen, welches er auf eine furchtbare Weise den Hof machte. Sie ahnt von dem alln nichts, die Arme! - Sie ist so glücklich, so seelig! - Mir thut es sehr leid um sie, denn Hermine ist wirklich ein äußerst liebes und gutes Geschöpf. -
Liebe gute Freundin bist Du nicht zu ihrer Hochzeit geladen? -
Was macht Dein theures Mutterl, wie befindet sei sich? Wie geht es deiner Tante?
Also findest Du meinen Bruder liebenswürdig, das freut mich. Ich habe ihm auch sehr gern, er ist ein sehr lieber Kerl!
Im Sommer werden wir um drei Kostmädchen weniger haben, also im ganzen nur wir. '''Scharolta''' ist schon weg, '''Alexandrine Náko''' die Tochter des Major's, geht über den ganzen Sommer, zu ihrer Großmutter auf's Land, weil sie sehr kränklich ist, sie hustet furchtbar, so lang sie bei uns ist und '''Jetti Major''' aus U.Altenburg.
Die war zu den Osterfeiertagen zu Hause, eine Woche nach den Ferien, als sie immer noch nicht da war, kam ein Brief von ihrer Mutter, daß sie das Mädchen ganz zu Hause behielte, weil ihr der Doktor sagte sie habe eine schwache Brust und er befürchtete sie könne die Krankheit ihresersten Vaters bekommen, welcher an der Lungensucht starb. Ihre Eltern, welche unendlich an ihrem einzigen Kinde hängen, sind natürlich ganz trostlos. '''Jetti''' ist auch ein recht talentvolles Kind; sie spielte schon recht nett klavier, und nun darf sie gar nicht's machen, weder Klavier spielen, noch schreiben, noch stricken, kurz sie darf sich nicht im geringsten anstrengen.




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