Reisen von Dr.Alexander Bauer: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Text'''


19/8




Theuerster Vater!
Theuerstes Mutterl!


Am 14ten dieses habe ich die Ausstellung der schönen Künste gesehen, denselben Tag auch das Invalidenhôtel, die Morque und das Palais de Justice wie ich dir geschrieben zu haben glaube.


Am 15ten setzte ich meine Wanderung durch den Industriepalast fort und sah Nachmittags das Volksfest vor dem Hôtel des Invalides und Abends die Beleuchtung. Das Volksfest war interessant zu nennen die Beleuchtung, aber technisch und artistisch verfehlt, noch am anderen Tage stinkte es im Tuileriengarten, während der Beleuchtung wälzten sich dicke Wolken von stinkendem Rauch über die dicht gedrängte Volksmenge.
Ich bin heute Morgens in Paris glücklich angekommen und beeile mich dir meine Reiseabenteuer seit meinem letzten Braunschweuiger Schreiben mitzutheilen. -


Am 16tenFortsetzung des Besuchs des Industriepalastes, Nachmittag Louvresammung und Börse.
Ich fuhr also wie gesagt damals des Nachts von Hannover nach Aachen, wo ich um 10 Uhr eintraf und bis 2 blieb. Dann ging ich nach Lüttich, wo ich diese Nacht und den folgenden Tag blieb. Nachmittags wollte ich nach Seraing fahren, indess war Dr. Kuh an den mich Sigl adressierte, nicht da der (?)Direktor Pastor auch in London, da traf ich ganz unerwartet '''Direktor Tunner''' mit '''Prof. Balling''', eben nach Seraing fahrend. Ich schloss mich anfangs als Unbekannter an, dann klärte sich bald sehr angenehme Begebenheit auf und ich sah nicht nur Seraing, sondern auch ein anderes ..., noch grossartigeres Werk in der Nähe (Liége) unter der Leitung dieser beider Herrn.


17ten Jardin et Museés de Luxembourg, Panthéon, Museé du Hermes et de l'Hôtel de Cluny. Bibliotheque St. Geniviéve, die Kirchen: St. Sulpice et St. Etienne du Mont. ferner durch die gütige Empfehlung des Hr. Seybel die chem. Lab. der Sorbonne der '''Ecole médecin''' und der Ecole Normal. In der Ecole Normal, wo H. Deville Professor ist, wurde nur alles zur ..bereitung nöthige bereitwilligst gezeigt und ich hoffe, Mack dienlich sein zu können, aber gerade an der Natriumfabrikazion ist nichts viel neues .. sagt H. Deville, er hatte eine Methode gefunden, ohne dem Natrium, Alumium zu machen, auch habe ich etwas über 4 Gramm Alumium zu 13 Francs und 20 Cent v. d. 5 (?)flens angekauft.  
Daher hielt ich mich auch noch eine Nacht in Lüttich auf und fuhr erst gestern früh nach Brüssel, von wo ich des Abends wieder weiter nach Paris reiste.


Bei allen diesen Herren wurde ich mit der größsten Freundlichkeit aufgenommen, ja Prof. Batard machte mit gleich den Antrag, sobald ich den Wunsch hätte, während meines Aufenthaltes etwas chem. zu arbeiten, sei einen Tisch und all Apparate und Praeparate für mich bei Ihm zu haben und bereit! -
Ich habe von Euch noch gar keinen Brief und erwarte sicher morgen oder übermorgen einen post rest. hier. Ihr könnt mir auch direkt in's Gasthaus schreiben, ich wohne: Hôtel Marsollier, Rue Marsollier Nr. 13 (Chambre Nr. 16), wo ich 10 Minuten vom Boulevard du Italiens und nur 20 Minuten vom Industriepalaste entfernt bin, also im Mittelpunkt der Sehenswürdigkeiten.


18ter, Industrieausstellung. Heute suchte ich auch H. Schwaz auf, der mich auch auf's freundlichste aufnahm.
Ich akkordierte mit der Wirthin Zimmer 2 Francs, Frühstück 75 Cent, Service 50 cent, jede verbrauchte Kerze 50 Cent und bin mit dem Mittagessen ganz ungebunden, welches wo möglich stets bei Kugler, einem Wiener einnehmen werde.


Seine Frau die Köchin, ist Schülerin Dommayer's in Hietzing und die kost wirklich vorzüglich und für nicht ganz 2 Francs kann man sich wollig satt essen und ein Flas rothen dazu trinken. - Ich machte heute schon den Spaziergang über die Boulevards, besichtigte die St. Madeleine, ging über die (?)Varonsil, Concordien, Vandóme und Bastilleplatz. Den Abend brachte ich in den Hallen des Palais Royale zu und den Nachmittag im Industriepalast. Die Reichhaltigkeit, Menge, Großartigkeit und Pracht überstieg wohl alle meine Erwartungen, indess ist lange nicht so viel Zeit erforderlich, ihn zu besichtigen, als ich dachte, da viel da ist, was mich weniger interessiert. Fidelis ist schon abgereist und hat mir auch nichts hinterlassen. Meine Freunde Förster und Latinovits traf ich hier, auch Wellich ist da. Ferner speiste und besichtigte ich theilweise den Pallast mit einem Wiener Parfumeur, der mit mir von Brünn nach Prag reiste und auch morgen in den Louvre gehen wird.


Übermorgen werde ich meine Adressen abgeben, da ich die Ausstellung nicht besuchen kann, denn es ist der 5 (?)francs Tag. - Meine Heimreise werde ich wohl 12 Napolénslang ausdehnen, jedenfalls aber bei Gagnet einiges erheben, schon wegen der Einkäufe, die ich für mein Leb. machen muss und die wegen welchen ich noch an Vater selbst schreiben werden, wenn ich nur erst die Preise weiss.


Einzug der Königin von England.
Meinen lieben Vater herzlich küssend und auch Nat. (Anm. Natalie) und Tante umarmend, bleibe ich dich küssend, Dein Sandor.


Um dem ungeheuren Gedränge in der Stadt zu entgehen, ging ich in's Bois de Boulogne, um da den einzug mit anzusehen. Die Ankunft war um 5 o. 6 Uhr angesagt, sie erfolgte um 8 Uhr, mithin war es schon so finster, daß wir allesammt nichts sahen, weder die in der Stadt, noch wir im B. d. B.. Andess habe ich mich an den Witzen der Pariser köstlich ergözt. Das Militär wurde aufgestellt, indess ließ so Marschall Mageau die  .. und die Kerle ergötzten sich in den köstlichsten Witzen und Vergnügungen, es ist überhaupt köstlich, mit welcher Freiheit hier das Militair sich bewegt, während dem Marschieren rauchen sie und der Oberst musste immer die Pfeife aus dem Munde nehmen, wenn er commandierte.
Dann heißt's "mais allors dore messieures s'il vous plait allors". Endlich hörten wir die Cannonen donnern, alles stellt sich auf (indess ist's schon finster), nun kam der Zug.


Vorne ein (?)Poquet 100 Garden, dann der Wagen mit Napoleon und Victoria, dann in dem hinteren Wagen Prinz Albert, Lord Clarendon, u. a. . Zum Schluss 100 Garden, so sausste es durch die Nacht an uns vorbei und um doch etwas zu sehen, hatte eine Dame einen Bogen Papier gefaltet und angezündet und hielt ihn dem Wagen entgegen. Die Parise klatschten in die Hände, klopften die Daumennägel und lachten sich einander aus. Dann wälzte sich der ganze Zug nach Paris, wo eine schönere Illuminierung war, als am 15ten.
Paris, am 6. Aug. 1855 (Mittoch)


Heute war ich in Versailles, wo die grossen Wasser sprangen, ein herrl. Anblick und Abends bei H. Gagnet (1) zu Tische geladen. Da im ganzen Hause niemand deutsch spricht, so hatte ich einen schweren Stand und musste genau achtgeben, indess schmeckte H. Gagnet's Champagner sehr gut und die Pariser Händl stehen den Wienern auch nicht nach und ich brachte in der liebenswürdigen Familie des H. Gagnet einen recht angenehmen Abend zu.


(1) Auf seinem Landgute bei Versailles.
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====19.8.1855 Paris====


{| border="0" cellpadding="5" cellspacing="0" style="color:#708090; background-color:#ffffff;"
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|[[Datei:alexander-bauer-paris-6-8-1855-1.jpg|150px|thumb|left|Brief aus Paris- Teil 1, Alexander Bauer]]
|[[Datei:alexander-bauer-paris-6-8-1855-2.jpg|150px|thumb|left|Brief aus Paris- Teil 2, Alexander Bauer]]
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Theuerstes Mutterl!
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Ich bin heute Morgens in Paris glücklich angekommen und beeile mich dir meine Reiseabenteuer seit meinem letzten Braunschweuiger Schreiben mitzutheilen. -
Theuerster Vater!


Ich fuhr also wie gesagt damals des Nachts von Hannover nach Aachen, wo ich um 10 Uhr eintraf und bis 2 blieb. Dann ging ich nach Lüttich, wo ich diese Nacht und den folgenden Tag blieb. Nachmittags wollte ich nach Seraing fahren, indess war Dr. Kuh an den mich Sigl adressierte, nicht da der (?)Direktor Pastor auch in London, da traf ich ganz unerwartet '''Direktor Tunner''' mit '''Prof. Balling''', eben nach Seraing fahrend. Ich schloss mich anfangs als Unbekannter an, dann klärte sich bald sehr angenehme Begebenheit auf und ich sah nicht nur Seraing, sondern auch ein anderes ..., noch grossartigeres Werk in der Nähe (Liége) unter der Leitung dieser beider Herrn.
Am 14ten dieses habe ich die Ausstellung der schönen Künste gesehen, denselben Tag auch das Invalidenhôtel, die Morque und das Palais de Justice wie ich dir geschrieben zu haben glaube.  


Daher hielt ich mich auch noch eine Nacht in Lüttich auf und fuhr erst gestern früh nach Brüssel, von wo ich des Abends wieder weiter nach Paris reiste.
Am 15ten setzte ich meine Wanderung durch den Industriepalast fort und sah Nachmittags das Volksfest vor dem Hôtel des Invalides und Abends die Beleuchtung. Das Volksfest war interessant zu nennen die Beleuchtung, aber technisch und artistisch verfehlt, noch am anderen Tage stinkte es im Tuileriengarten, während der Beleuchtung wälzten sich dicke Wolken von stinkendem Rauch über die dicht gedrängte Volksmenge.


Ich habe von Euch noch gar keinen Brief und erwarte sicher morgen oder übermorgen einen post rest. hier. Ihr könnt mir auch direkt in's Gasthaus schreiben, ich wohne: Hôtel Marsollier, Rue Marsollier Nr. 13 (Chambre Nr. 16), wo ich 10 Minuten vom Boulevard du Italiens und nur 20 Minuten vom Industriepalaste entfernt bin, also im Mittelpunkt der Sehenswürdigkeiten.
Am 16tenFortsetzung des Besuchs des Industriepalastes, Nachmittag Louvresammung und Börse.


Ich akkordierte mit der Wirthin Zimmer 2 Francs, Frühstück 75 Cent, Service 50 cent, jede verbrauchte Kerze 50 Cent und bin mit dem Mittagessen ganz ungebunden, welches wo möglich stets bei Kugler, einem Wiener einnehmen werde.
17ten Jardin et Museés de Luxembourg, Panthéon, Museé du Hermes et de l'Hôtel de Cluny. Bibliotheque St. Geniviéve, die Kirchen: St. Sulpice et St. Etienne du Mont. ferner durch die gütige Empfehlung des Hr. Seybel die chem. Lab. der Sorbonne der '''Ecole médecin''' und der Ecole Normal. In der Ecole Normal, wo H. Deville Professor ist, wurde nur alles zur ..bereitung nöthige bereitwilligst gezeigt und ich hoffe, Mack dienlich sein zu können, aber gerade an der Natriumfabrikazion ist nichts viel neues .. sagt H. Deville, er hatte eine Methode gefunden, ohne dem Natrium, Alumium zu machen, auch habe ich etwas über 4 Gramm Alumium zu 13 Francs und 20 Cent v. d. 5 (?)flens angekauft.  


Seine Frau die Köchin, ist Schülerin Dommayer's in Hietzing und die kost wirklich vorzüglich und für nicht ganz 2 Francs kann man sich wollig satt essen und ein Flas rothen dazu trinken. - Ich machte heute schon den Spaziergang über die Boulevards, besichtigte die St. Madeleine, ging über die (?)Varonsil, Concordien, Vandóme und Bastilleplatz. Den Abend brachte ich in den Hallen des Palais Royale zu und den Nachmittag im Industriepalast. Die Reichhaltigkeit, Menge, Großartigkeit und Pracht überstieg wohl alle meine Erwartungen, indess ist lange nicht so viel Zeit erforderlich, ihn zu besichtigen, als ich dachte, da viel da ist, was mich weniger interessiert. Fidelis ist schon abgereist und hat mir auch nichts hinterlassen. Meine Freunde Förster und Latinovits traf ich hier, auch Wellich ist da. Ferner speiste und besichtigte ich theilweise den Pallast mit einem Wiener Parfumeur, der mit mir von Brünn nach Prag reiste und auch morgen in den Louvre gehen wird.
Bei allen diesen Herren wurde ich mit der größsten Freundlichkeit aufgenommen, ja Prof. Batard machte mit gleich den Antrag, sobald ich den Wunsch hätte, während meines Aufenthaltes etwas chem. zu arbeiten, sei einen Tisch und all Apparate und Praeparate für mich bei Ihm zu haben und bereit! -


Übermorgen werde ich meine Adressen abgeben, da ich die Ausstellung nicht besuchen kann, denn es ist der 5 (?)francs Tag. - Meine Heimreise werde ich wohl 12 Napolénslang ausdehnen, jedenfalls aber bei Gagnet einiges erheben, schon wegen der Einkäufe, die ich für mein Leb. machen muss und die wegen welchen ich noch an Vater selbst schreiben werden, wenn ich nur erst die Preise weiss.
18ter, Industrieausstellung. Heute suchte ich auch H. Schwaz auf, der mich auch auf's freundlichste aufnahm.


Meinen lieben Vater herzlich küssend und auch Nat. (Anm. Natalie) und Tante umarmend, bleibe ich dich küssend, Dein Sandor.




Paris, am 6. Aug. 1855 (Mittoch)
Einzug der Königin von England.


Um dem ungeheuren Gedränge in der Stadt zu entgehen, ging ich in's Bois de Boulogne, um da den einzug mit anzusehen. Die Ankunft war um 5 o. 6 Uhr angesagt, sie erfolgte um 8 Uhr, mithin war es schon so finster, daß wir allesammt nichts sahen, weder die in der Stadt, noch wir im B. d. B.. Andess habe ich mich an den Witzen der Pariser köstlich ergözt. Das Militär wurde aufgestellt, indess ließ so Marschall Mageau die  .. und die Kerle ergötzten sich in den köstlichsten Witzen und Vergnügungen, es ist überhaupt köstlich, mit welcher Freiheit hier das Militair sich bewegt, während dem Marschieren rauchen sie und der Oberst musste immer die Pfeife aus dem Munde nehmen, wenn er commandierte.
Dann heißt's "mais allors dore messieures s'il vous plait allors". Endlich hörten wir die Cannonen donnern, alles stellt sich auf (indess ist's schon finster), nun kam der Zug.


Vorne ein (?)Poquet 100 Garden, dann der Wagen mit Napoleon und Victoria, dann in dem hinteren Wagen Prinz Albert, Lord Clarendon, u. a. . Zum Schluss 100 Garden, so sausste es durch die Nacht an uns vorbei und um doch etwas zu sehen, hatte eine Dame einen Bogen Papier gefaltet und angezündet und hielt ihn dem Wagen entgegen. Die Parise klatschten in die Hände, klopften die Daumennägel und lachten sich einander aus. Dann wälzte sich der ganze Zug nach Paris, wo eine schönere Illuminierung war, als am 15ten.


Heute war ich in Versailles, wo die grossen Wasser sprangen, ein herrl. Anblick und Abends bei H. Gagnet (1) zu Tische geladen. Da im ganzen Hause niemand deutsch spricht, so hatte ich einen schweren Stand und musste genau achtgeben, indess schmeckte H. Gagnet's Champagner sehr gut und die Pariser Händl stehen den Wienern auch nicht nach und ich brachte in der liebenswürdigen Familie des H. Gagnet einen recht angenehmen Abend zu.


(1) Auf seinem Landgute bei Versailles.




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